Unser Kollege Martin Petrat hat im April privat Spenden organisiert, damit Menschen auf ihrer Flucht vor dem Krieg in der Ukraine Hilfe in Polen bekommen. Von hier aus haben viele die Aktion durch Spenden unterstützt. Unser Dank gilt den vielen polnischen Menschen, die sich vor Ort tatkräftig engagiert haben. Wir hoffen, dass die ukrainischen Familien bald eine Perspektive finden. Der Bericht von Paulina Browarczyk bewegt uns sehr:
“Mit Beginn des Krieges in der Ukraine, hat sich in Polen und bei uns einiges geändert. Der Krieg in der Ukraine ist ein Drama für viele Leute und viele Familien leiden darunter. Deswegen haben wir den Ukrainern Hilfe angeboten.
Ein Durcheinander und es kamen immer mehr
Es riefen Bekannte an und fragten nach, ob wir Übernachtungsmöglichkeiten für ukrainische Frauen mit Kinder haben. Meist waren es Bekannte von Bekannten. Keiner kannte sich, aber jeder versuchte so gut es geht zu helfen. Martin Petrat, der gerade vor Ort in Polen war, hat sein Ferienhaus als Unterkunft zur Verfügung gestellt. Dieses Angebot hat uns motiviert zu handeln.
Anfangs war es ein großes Durcheinander. Zunächst sollten 10 Personen kommen, die leider nie angekommen sind. Danach sollten drei Frauen mit fünf Kindern kommen. Aufgrund der Bombardierungen ihrer Stadt Mikolajew sind sie statt am Wochenende erst Mittwochnacht gekommen.
Zwischen Angst und Verzweiflung
Leider haben es nur zwei Frauen mit zwei Kindern geschafft zu flüchten. Die eine Frau mit ihren drei Kindern kam nicht heraus. Busse, die sie aus Mikolajew herausbringen sollten, waren entweder überfüllt oder sind nicht gefahren, weil es keine Fluchtkorridore gab. Sie haben tagelang im Keller übernachtet bis sie fliehen konnten. Ständig in Angst leben.
Heraus kamen die Frauen, weil ein Fremder sie im Auto mitgenommen hat. Als sie die Grenze überquerten, waren sie zwar erleichtert aus der Gefahrenzone herauszukommen, aber eine große Unsicherheit kam auf: ‘Was nun? Wir sind in einem fremden Land, können die Sprache nicht und haben nichts außer uns selbst.’
Ein starkes Netzwerk: Freunde, Familie, Bekannte und Bekannte von Bekannten…
Durch Bekannte, die wiederum bei Bekannten nachgefragt haben, sind die vier Personen ganz verängstig mit nur einem Rucksack bei uns in Zdunowice gelandet. Zu der Zeit erreichten uns ständig Telefonate und Nachfragen. Somit kam ein Tag später eine Familie: Oma, Mutter und zwei Kinder.
Die Übernachtungsmöglichkeiten waren begrenzt. Die Wohnungen, die wir hatten, waren mittlerweile voll und überbelegt. Ukrainische Arbeiter haben Familien und Bekannte geholt. Es wurden Matratzen, Bettzeug, ganze Ausstattungen benötigt und schnell im Bekanntenkreis organisiert.
Als wir dachten wir sind voll und mit unseren Möglichkeiten am Ende, bekamen wir ein Telefonat. Eine Frau mit 4 Kindern war auf dem Weg von Kiew und suchte eine Unterbringung. Die Kinder im Alter von 2 Monaten bis achte Jahre. Trotz der Unsicherheit und aussichtslosen Lage mussten wir auch dieser Familie helfen. Zum Glück haben wir erfahren, dass man den Vater mit der Familie über die Grenze gelassen hat.
Perspektive zur Integration und Selbständigkeit
Wir waren uns im Klaren, dass wir den Familien eine Perspektive schaffen müssen. Ein Dach über dem Kopf ist zwar schön und war für die Frauen ein Anker der Sicherheit nach den ganzen Strapazen, aber nicht die Lösung. Die nächste Hürde, die wir hatten, war die Frauen zu integrieren, damit sie in nächster Zukunft auch selbständig sein können. Das Problem war jedoch, dass in Danzig und Umgebung alles voll war. Es gab weder Übernachtungsmöglichkeiten, noch gab es Arbeit für die Frauen.
Die Frauen aus Mikolajew — Alona und Gala — waren selbständige Frauen, die ihren Unterhalt in der Ukraine selbst bestritten haben. Sie wollten von niemanden abhängig sein. Sie suchten eine Beschäftigung, um nicht so viel nachdenken zu müssen, was in ihrer Heimat mit ihrer Familie passiert.
Somit sind wir auf die Idee gekommen sie nach Bielefeld zu unserer Familie zu schicken. In Deutschland war die Lage ruhiger als in Polen, die Städte nicht überfüllt. Die Chance auf ein gutes selbständiges Leben war dort höher.
Unterstützung durch die Familie in Deutschland
Ein Bekannter hat die Frauen mitgenommen. Sie wuden bei unser Familie gut aufgenommen. Menschen in Bielefeld — Bekannte ebenso wie Fremde — waren sehr hilfsbereit. Mit vereinten Kräften haben sie direkt eine Wohnung gefunden. Die Kinder wurden in der Schule angemeldet und durch gemeinsame Aktivitäten langsam integriert. Sie fühlen sich mittlerweile so wohl und sicher, dass eine der Frauen ihre Mutter hergeholt hat.
Finanzielle Unterstützung und viel Zuwendung
Außer materieller Hilfe brauchen die Menschen viel Zuwendung und psychologische Unterstützung. Sie sind gedanklich in der Ukraine, können nicht nachvollziehen wie es überhaupt dazu gekommen ist und leben in Angst. Wie konnte es dazu kommen? Sie haben von heute auf morgen alles verloren. Und das durch ein Nachbarland, in dem sie teils selber noch Familie haben.
Das war ein nur ein kleiner Einblick. Wir danken allen ganz herzlich, die uns bislang bereits tatkräftig unterstüzt haben. Und vor allem denjenigen, die die materielle Versorgung durch die Spendenaktion von Martin Petrat ermöglicht haben!”