Von Michael Kolle.
Oer-Erkenschwick. Der Bedarf von Kindern, Jugendlichen und Ihren Eltern an Unterstützung zur Erziehung ist in den letzten Jahren trotz vorhandener Hilfemöglichkeiten gestiegen. Grund dafür sind die immer größer werdenden (wirtschaftlichen) Risiken, die ein Leben in unserer Gesellschaft mit sich bringt. Die Anforderungen an die Kinder und Jugendlichen zur Überwindung von (Geld-)Armut, zunehmender gesellschaftlicher Isolation aufgrund mangelnder Teilhabe, schulischer Überforderung aufgrund mangelnder Unterstützung und Segregation und letztlich fehlender (falscher) elterlicher Orientierung, nehmen stetig zu. Die Armut bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland ist so groß wie niemals zuvor. Im vergangenen Jahr lebten bei uns 15,6 Prozent aller Kinder und Jugendlichen unter 15 Jahren in Familien, die Grundsicherungsleistungen beziehen.
Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften mit minderjährigen Kindern steigt kontinuierlich an. In der Vergangenheit haben die Bundesländer mit unterschiedlichsten Finanzierungs- und Steuerungsmodellen versucht, den erhöhten Bedarf an Beratung möglichst kostengünstig zu decken – doch alle Maßnahmen haben versagt. Denn eine rein finanziell gedachte Lösung und Ausrichtung der Jugendhilfe geht an den Bedarfen der Menschen, an den Rechten der Bürgerinnen und Bürger, vorbei!
Das Familienministerium, vertreten durch Frau Schwesig (Finanzwirtin/SPD), hat einen Entwurf zur Änderung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes gefertigt. In dieser Vorlage wird fadenscheinig und ohne fundierte Datengrundlage versucht, ein weiteres Finanzierungsmodell unter dem Deckmantel einer infrastrukturellen Ausrichtung (sogenannte Sozialräumliche Hilfen oder Angebote) als Grundsatz für die Gewährung von Hilfsmaßnahmen zu etablieren. Das bedeutet, dass zukünftig Gelder für Hilfe zur Erziehung nur noch pauschal an von der Stadt (Jugendämtern) ausgesuchte Projekte überwiesen werden. Das heißt: Nach ihrer Vorgabe sollen zukünftig alleine die Behörden darüber entscheiden, ob und von welchen Einrichtungen Hilfe zur Erziehung gewährt wird oder nicht! Damit werden die Rechte der Menschen, die bisher einen gesetzlichen Anspruch auf Unterstützung zugesichert hatten, ausgehebelt und zukünftig leer ausgehen. Den Betroffenen werden alle entscheidenden (Rechts-)Mittel genommen selbst zu entscheiden, welches die beste mögliche Hilfe für sie ist und es findet keine individuelle Unterstützung mehr statt, die sich an den Bedürfnissen der Kinder- und Jugendlichen ausrichtet.
Mit der geplanten Novellierung des SGB VIII werden die Ärmsten und Hilfebedürftigsten noch weiter in die gesellschaftliche Isolation gedrängt. Der bestehende Bundesrechtsanspruch (auf Hilfen zur Erziehung) wird mit der Vorlage »Arbeitsfassung mit Stand 22.04.2016 — Leistungen zur Entwicklung und Teilhabe des Kindes oder Jugendlichen, Leistungen zur Verselbständigung des jungen Volljährigen, Leistungen zur Stärkung der Erziehungskompetenz der Eltern« unterlaufen und ausgehöhlt – faktisch ausgesetzt! Angesichts (angeblich) leerer Kassen der Länder, werden dann folgelogisch auch keine „kostenintensiven« Hilfen bewilligt. Damit fügt Frau Schwesig (SPD) der Kinder- und Jugendhilfe größtmöglichen Schaden zu und lässt unsere Kinder im Elend alleine! Ein bestehendes Gerichtsurteil des Hamburger Verwaltungsgerichtes bestätigt diese Auffassung. Nun soll ein Bundesgesetz geändert werden, damit eine verschärfende Finanzsteuerung in der Jugendhilfe doch noch umgesetzt werden kann. Sehr geehrte Damen und Herren im Bundestag, das dürfen Sie nicht zulassen!