Von Christoph Finger.
So ein Ärger: Stau auf der Autobahn. Ich komme zu spät zu einer Besprechung und habe die Vorstellungsrunde verpasst. Wer ist jetzt nochmal vom Klinikpersonal? Wer ist das neben der Dame vom Jugendamt und irgendwo hier in der Runde müssen doch auch die Eltern sitzen? Der Herr neben dem Vormund, ist das eine Fachkraft oder nicht? Wenn die klaren Rollen wegfallen sind wir erstmal verunsichert. Wir wollen dann gerne ab auf die Ersatzbank, uns aus der Distanz ein Bild verschaffen, um uns dann in den gewohnten Rollenbildern sicher zu fühlen.
Zu gerne haben wir als Fachkräfte unsere Heimspiele auf dem Boden unserer Einrichtung. Ein Grund mehr, den Auftakt des Projekts „Ihr Recht: Jugendhilfe auf Augenhöhe“, nicht bei uns im junikum, sondern an einem neutralen Ort stattfinden zu lassen. Ich selbst bin Fachkraft, aber auch Vater von drei Kindern. Und ich bin dabei. Ein Projektwochenende lang auf Augenhöhe mit Eltern von Kindern aus unterschiedlichsten Betreuungsformen. Ein Wochenende lang Zeit, um mit Fachkräften und Eltern über die Rechte von Eltern in der Jugendhilfe ins Gespräch zu kommen.
Die Rechte der Stammspieler
Ich erwische mich bei der inneren Frage „Ist das jetzt ein Mitarbeiter oder ein Elternteil, dem ich hier gerade beim Ankommen begegne?“ Allen Beteiligten war schnell klar, dass bei diesem Treffen Zuschreibungen, Fachkräfte oder Hierarchien keine Rolle spielen werden. Es wurde intensiv miteinander diskutiert und der Austausch zwischen Eltern, Mitarbeitern und Leitungskräften gesucht.
Wenn Kinder in die Obhut von Jugendhilfe gehen, dürfen Eltern dann nicht mehr mitreden, welche Filme ihr Kind sehen darf und wann es im Bett sein muss? Müssen sie doch wieder auf die Ersatzbank? Ein spannendes Thema, welches zu lange im Abseits der Aufmerksamkeit stand, wurde auf den Elfmeterpunkt gelegt. Eine neue Strategie musste her, die ihre Wirkung in einer Dreierspitze entfalten sollte: Information, Austausch und Evaluation.
Was bleibt für die zweite Halbzeit?
Es wurde sehr deutlich, wie wichtig es ist, die Eltern derer, die wir begleiten und beraten, über ihre Rechte zu informieren, sie ehrlich mit einzubeziehen und untereinander im Austausch zu bleiben über gelungene und weniger gelungene Kooperationen. Jede Familie bedarf einer anderen Ansprache und Unterstützung um zu ihrem Recht und zu der ihr angemessenen Hilfe zu gelangen. Dies mehr in den Blick zu nehmen kann eine starke, positive Wirkung in der Jugendhilfe haben.
Die Stimmung in unserem Projekt-Stadion lässt sich am besten mit einem Zitat des Projektbegleiters Dr. Remi Stork wiedergeben: „Das gemeinsame Mensch sein stand mehr im Vordergrund als die Unterschiede die uns die Rollen sonst normaler Weise zuschreiben.“ Jugendhilfe ist nie ein Heimspiel, aber das junikum bleibt am Ball.
Ich nehme meine Verspätung in der Besprechung daher sportlich. Alle Menschen in der Runde sind Experten in eigener Sache und gemeinsam arbeiten wir daran, die Herausforderungen, die sich uns stellen, zu meistern.
Christoph Finger
JuMeGa®-Fachberater
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