Von Annalena Lohbeck.
Ich stelle immer wieder fest, dass die pädagogische Arbeit mit Tieren sehr facettenreich ist. Mit den Kindern der Wohngruppe bin ich in den Reitstunden der Natur auf der Spur. Zusammen möchten wir die Pflanzen und Tiere erleben und sie begreifen. Zwischen Bäumen und Wiesen lebt auch der Zauber meiner Kindheit immer wieder auf. Es sind gerade diese Erfahrungen, die die Kinder und mich verbinden und die uns auf manch abenteuerliche Reise schicken.
Als ich zum Abschluss einer Reitstunde mit Max und Vincent unsere Gefühle und Gedanken visualisieren wollte, kam mir die Idee, das Pony namens Diamant mit Fingermalfarben zu verzieren. Die Aufgabe bestand darin, unsere ganz individuellen Empfindungen zu dem kleinen schwarzen Therapie-Pony in einem Kunstwerk darzustellen. Malen durften die Kinder alles das, was ihnen zu ihrer Beziehung zu dem schon vertraut gewordenen Pony in den Sinn kam. Voller Eifer legte auch ich los und malte ihr als Zeichen ihrer unglaublichen Empathie-Fähigkeit zwei gelbe Kreise um die Augen und erzählte dabei von den alten Bräuchen der Indianer.
Die Reise zu den Indianern
Die Indianer bemalten ihre Pferde mit bestimmten Symbolen. Ein Kreis um das Auge bedeutete einen scharfen Blick, die Bemalung der Ohren ermöglichte ein besseres Gehör gegen Feinde, die Färbung an den Beinen machte die Pferde schneller und eine Art gezeichnetes Schlüsselloch verlieh dem Pferd Schutz und Segen. Die Kinder mischten die Farben zusammen und schnell war nicht nur das Pony mit bunter Farbe bemalt, auch die Kinder leuchteten in allen Farben des Regenbogens.
Max und Vincent verwandelten das kleine unscheinbare Pony in ein quietschbuntes Etwas mit vier Beinen und einem Kopf. Nun schmückte eine riesige Sonne den Rücken und ein großes rotes Kreuz ihre Brust. Die Sonne sei bildhaft die Wärme die Max besonders beim Reiten spüre und das rote Kreuz bedeutete für Vincent, dass ihm das Pony oft helfe, an schöne Dinge zu denken und seine Wut zwischenzeitlich zu vergessen.
Leichtes Gepäck durch starke Pferde
Ich war sehr stolz auf die beiden Jungs, die ihren eigenen Nutzen aus dem Kontakt zu den Tieren sehr bildlich darstellen konnten. Dies ist in der Reittherapie ein wichtiger Augenblick, der mir immer zeigt, dass die Arbeit mit Tieren die Reflexionsfähigkeit, Selbstwahrnehmung und weitere soziale Kompetenzen der Kinder anspricht. Die Tiere nehmen den Platz des Seelentrösters ein und werden in kürzester Zeit zu einem guten Freund und Helfer.
Als ich am Abend die Pferde von der Weide holen wollte, berührte mich der Anblick des Ponys, das uns zuvor als Leinwand gedient hatte. Voller Stolz trug es das Kunstwerk an sich und alle anderen Pferde auf der Weide betrachteten es mit einem respektvollen Abstand. Die Worte der Indianer kamen mir wieder in den Kopf. Ihre vorbildhafte Lebenseinstellung lautete: »Ein gesundes Geben und Nehmen zwischen Mensch, Tier und der Natur!«
Großartige Kleinigkeiten für das Handgepäck
Unsere kleine Zeitreise zum Abschluss der Reitstunde hatte sich also nicht nur für die Kinder gelohnt. Das unscheinbare Pony wurde endlich dem Namen Diamant gerecht. Es stieg in der Rangordnung der Herde heute ein Stück höher, durfte als erstes das Heu fressen und wurde nicht von saftigen Grasflächen verscheucht. Ich erzählte am nächsten Tag den Kindern die Reaktion der Pferde und sie waren sehr stolz auf ihre gute Tat.
Eigentlich wollte ich das Pony noch am selben Abend von seiner Farbenpracht befreien, doch dann überließ ich der Natur die Entscheidung. Entspannt beobachtete ich nach Feierabend das Verhalten der Pferde und genoss ihre ansteckende, sorglose Glückseligkeit. Ich fühlte mich durch den Anblick der Tiere in meiner pädagogischen Arbeit und in meinem Menschsein bestätigt. Mein Lebensreise-Koffer ist mit wunderbaren Dingen bepackt, für die ich sehr dankbar bin.
Annalena Lohbeck
junitSIRIUS
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